Glenglassaugh, 2012 - ?, Fresh Oloroso-Butt / Fresh P.X.-Butt
Auch beim Malt Whisky kommen und gehen die Stars. Whiskys, die Anfang der 90er Jahre zu den Rolls Royce unter den Whiskys gehörten, haben heute einen eher zweifelhaften Ruf. Genau umgekehrt verhält es sich mit Glenglassaugh. Noch vor wenigen Jahren fristete diese Destillerie ein eher wenig beachtetes Dasein. Inzwischen ist sie jedoch zum unumstrittenen Geheimtipp der Fachleute geworden. Umso stolzer sind wir darauf, in Glenglassaugh zwei Butts liegen zu haben, ein Fresh Oloroso- und ein P.X.-Fass. Das ist umso bemerkenswerter, als es vermutlich die letzten Fässer waren, die in Glenglassaugh an einen unabhängigen Abfüller verkauft wurden. Denn drei Monate nach dem Kauf unserer Fässer wurde die Destillerie selber verkauft, und zwar an die Walker-Gruppe, die bekanntermaßen keinerlei Fässer abgibt.
Inzwischen wurde die Walker-Gruppe selbst verkauft - und zwar an Brown Forman, den Besitzer von Jack Daniels. Ein gewaltiger Grund mehr, die unabhängig besessenen Fässer gut zu hüten und zu pflegen.
Crafty 2023 bis ?, 64 Liter Fresh Madeira Cask (in Portugal gefertigt)
Einer der großen Entdeckungen an der Südküste bei unserer Schottlandreise im Mai 2023 war die Crafty-Destillery.
Was uns dort bei der privaten Führung erzählt wurde, hielten wir zunächst für völlig abgehoben und übertrieben. Eigene Studien an den Universitäten Glasgow und Edinburgh, weil die vor dem Produktionsbeginn gestellten Fragen von niemandem beantwortet werden konnten, 10-mal langsamerer Brennprozess als bei Glengoyne - die eigentlich für den langsamsten Brennprozess Schottlands bekannt sind? Wir waren skeptisch. Bis wir dann den New Make probieren durften.
Der war der mit Abstand leckerste, den wir je auf der Zunge hatten - fast zu schade, um ihn in ein Fass zu schütten. Da war die Entscheidung gefallen und ein weiteres Baby in den Kreis der zukünftigen Eigenabfüllungen aufgenommen.
Bereits abgefüllt:
ST. Kilian II 2018-2023 4 Jahre 2 Caol Ila Octaves (wiederbefüllt) 195 Flaschen / 58,5 %:
Eindruck im Glas:
Ölig präsentiert sich der Bernsteinfarbene Malt. Schon die Farbe erinnert daran, dass eines der Fässer, aus denen er kommt, der berühmte „Sound Of Islay“ war. Gezackte Linie mit Tröpfchen ringsherum – die Beinchen lassen nicht lange aus sich warten.
Aroma:
Süße Räucherstube empfängt einen sofort. Auch hier sofort die Erinnerung an den „Ssunntt“. Aber Rauch und Torf sind schon auch wesentlich kräftiger als bei dem – schließlich ist er mit 54 ppm - Malz von den Glenesk Maltings gesegnet – das ist mehr als ein Caol Ila je gesehen hat. Aber der Islay steuert die maritime Note bei. Mit etwas Geduld kommen dann auch wunderbar fruchtige Noten mit heller Schokolade heraus – immer umgeben von elegantem Rauch. Der Duft von gebrannten, karamellisierten Mandeln, frisch beim Kirmesrundgang aufgefangen. Die breite Palette am Süßigkeitenstand: Von den gebrannten Mandeln und Zuckerwatte bis zu den Erdbeeren im Schokomantel.
Geschmack:
Beide Welten vereint: Auf der einen Seite maritime Noten von Rauch und Torf, auf der anderen süße Cremigkeit. Der Geschmack reflektiert schon deutlich das Aroma, aber auf Zunge und Gaumen spielen die beiden Pole sich diese vermählten Kongeneren wie im PingPong hin und her. Mal herrliche Frucht-Schoko-Creme, dann wieder der Räucherofen mit herzhaften Inhalten. Zugabe von Wasser entscheidet diese Partie zugunsten der Süßen Fraktion. Dann kommt das Rauchige erst im Abgang – sogar etwas scharf. Ich persönlich mag ja bekanntermaßen süße Whiskys, aber hier schmeckt mir die Variante ohne doch besser.
Fazit:
Ein Whisky für Kirmes-Fans. Wer die intensiven Düfte auf dem Jahrmarktsplatz mag und genießt, kommt voll auf seine Kosten. Aber auch Smoker-Liebhaber mit eher herzhaften Vorlieben finden hier ein echtes Leckerchen. Besonders schön, dass wegen der Islay-Fässer auch maritime Noten anklingen.
Dieser Whisky ist ein Gemeinschaftsprojekt mit Brothers in Malt, Solingen. Mehr zur Zusammenarbeit mit Brothers in Malt hier!
ST. Kilian I 2018-2023 4 Jahre Springbank Demerara Rum Fass Barrel No. 246 (wiederbefüllt) 286 Flaschen / 60,9 %:
Eindruck im Glas:
Sowas hab’ ich bei schätzungsweise 2500 in meinem Leben probierten Malts noch NIE erlebt: Kein gezacktes Schnittbild des strohgelben Whiskys sondern ein unregelmäßiger Kranz von Tröpfchen und Punkten – als seien nach einer Sprengstoffexplosion Pulverreste als Sediment verteilt worden und hängen geblieben. Glas kaputt? Schlecht gespült? Nein: Auch beim zweiten und dritten Glas das Gleiche. Unglaublich! Spannend und faszinierend. Ich ertappe mich dabei, zu denken: Wenn der nun gar nicht schmeckt, gießt du ihn einfach nur ein und siehst dir das faszinierende Spiel an.
Aroma:
Die erste Nase empfängt einen wie ein früher Morgenspaziergang am Karibik-Strand: Frisch und filigran Rum-süß mit ganz sanften Maritim-Noten. Dann gesellen sich tropische Früchte dazu, als ob man beim Schlendern an einer etwas entfernten Mangoplantage vorbeikommt – je nach Winddrehung mal wahrzunehmen und mal nicht. St. Kilian? Natürlich! Aber es wird doch deutlich, wie sehr dieser Whisky vom Springbank Demerara Fass geprägt ist. Wie der kleine Bruder vom Springbank, der 21 Jahre lang dem Barrel seinen Geschmacksstempel aufgedrückt hat. Zuckerrohrschilf und Dünengras im weißen Sand – wunderbar! Später kommt dann noch eine Lakritznote dazu – auch das wie beim Vorgänger. Man wird des Schnupperns und Träumens nicht müde.
Geschmack:
Sehr süß, aber auch heftig. Die Kraft der 60,9 % haut einen erstmal um – das erwartet man nach der filigranen „Träumernase“ wirklich nicht! Unerwartet malzig und schwer – jetzt zeigt sich doch: Es ist eben kein Springbank sondern St. Kilian, im Talkessel von Rüdenau mit Kavalan-Effekt gereift. Wenn man dann weiß, was auf einen zukommt, ist der zweite Schluck schon gefälliger. Die Zitrus-Bitter-Note von eindeutig Tonicwater verlangt nach innerer Vorbereitung. Und: Whiskys mit extremer Abweichung von Aroma und Geschmack laden ja immer dazu ein, ganz viel mit Wasser zu experimentieren. Tatsächlich: Schon beim ersten Tropfen brodelt es ‚wild-geworden’ im Glas. Noch süßer! Aber auch viel gefälliger: Die Malznote verstärkt sich, und auch die Früchte werden vielfältiger, komplexer. Deutlich Erdbeere im Schokomantel; aber erst nach einiger Zeit im Glas. Dieser Malt ist nichts für Ungeduldige! Er brauch immer wieder viel Zeit, um den dann neuen Mix an Kongeneren zum Ausdruck zu bringen. Mit einigen Tropfen erreicht man dann schließlich die Lakritze aus der späten Nase.
Fazit:
Ein Whisky für graue, kalte Wintertage mit Dauerregen, an denen man einfach die ganze Zeit im Wohnzimmer sitzt und von der letzten Kreuzfahrt mit Royal Caribbean träumt. Es bedarf des üppigen, vollmundigen Schlucks – mindestens 2 cl.! – um dem Malt gerecht werden zu können. Ich schenke immer gleich 2-3 verschiedene Gläser ein und stelle den Wasserkrug dazu – dann ist die Spielwiese für Whisky-Cracks perfekt.
Dieser Whisky ist ein Gemeinschaftsprojekt mit Brothers in Malt, Solingen. Mehr zur Zusammenarbeit mit Brothers in Malt hier!
Sound of Islay (Caol Ila), 2009-2018, 9 Jahre / 15 Monate P.X.-Octave Finish, 72 Flaschen / 58,4 %
Eindruck in der Flasche:
Das Erlebnis eines RAW CASKs wie diesem ist spektakulär! Weil nicht mal grob gefiltert, sind sämtliche zähen Öle und Sedimente noch in der Flasche. Schüttelt man die, wird der klare Malt sofort extrem eingetrübt, und man meint, einen völlig anderen Whisky vor sich zu haben. Das funktioniert sogar noch bei 30°C!
Eindruck im Glas:
Wie nicht anders zu erwarten, bleibt ganz viel oben am Glas kleben. Etwas klarer als in der Flasche wirkt er schon, aber immer noch deutlich naturtrüb.
Aroma:
Rosinige Süße empfängt einen so gewaltig, dass erst die zweite Nase den Islay verrät. Man will es nicht glauben – dann aber doch deutlich geräucherter Schinken, der eine
wunderschön-harmonische Verbindung mit der P.X.-Süße eingeht. Die Fruchtnoten werden vielfältiger- reife Pflaume kommt neben der Rosine durch. Das Wasser läuft einem aber schon so im Mund zusammen, dass man unmöglich noch länger warten kann…
Geschmack:
Unglaubliche Süße! Wunderbar tranig-intensiv-fruchtig-rosinig. Die Verheißung enttäuscht nicht, was man kaum glauben mag. Während man noch schwelgt, kommt langsam aber gewaltig wie eine mächtige Welle von hinten nach vorne Torf, Rauch, Salz, Speckigkeit, Holzkohle…die komplette Islay-Palette. Die Süße bleibt aber bei aller Islay-Heftigkeit. Erstaunlich! Hier zeigt sich, wie wundervoll ein auf Islay gelagerter Caol Ila im Gegensatz zu den durch die Bank schwachen Originalabfüllungen schmecken kann. Da ist alles, was ich an Islay liebe, und ich weiss wieder, warum Caol Ila immer mein Lieblings-Islay war:
Dreckig-speckig wie ein völlig vergammelter und vermadeter Schiffs-Schinken, auf den hin und wieder eine salzige Meereswoge schwappt.
Wasser? Die Nase verliert kaum, was um so erstaunlicher ist, als man gefinishte Malts meist nicht durch ein paar Tropfen aufschließen kann. Aber der Geschmack leidet doch: Es geht in Richtung Tinktur, die Breite der verschiedenen Kongeneren wird eingeengt. Lieber nicht.
Springbank, 1998-2018, 19 Jahre Fresh Oloroso, Hogshead No. 433, 220 Flaschen / 50,1%
Eindruck im Glas:
Bernsteinfarben. Relativ hell für einen Fresh Oloroso. Aber ölig ohne Ende. Die “Beinchen” lassen lange auf sich warten und ähneln dann eher Spinnweben. Ansonsten geschnittenes Glas, das aussieht wie der Kurs einer Achterbahn – beliebig wiederholbar durch Schwingen des Glases; diese Zeremonie macht hier besonders viel Spaß!
Aroma:
Sofort deutlich das klassische “dreckige Hafenbecken” der nach 1988 destillierten und im Sherryfass gelagerten Springbanks. Unverwechselbar! Dann aber fruchtige Noten und Milchschokolade immer mehr entwickelnd. Ein Riegel Kinderschokolade, der in die Öllachen durchtränkten Wasser des Hafenkais gefallen ist.
Geschmack:
Explodierend süß und fruchtig! Was für ein Empfang! Dahinter aber sofort wieder das Hafenbecken des Aromas mit seinen Öllachen, angeschwemmten Holzresten und halben Heringsköpfen. Gummi, Teer, Salz. Auch im Geschmack muss man die Schoko- und Fruchtnoten erst suchen, findet sie aber köstlich versteckt, besonders vorne auf der Zungenspitze mit einer wunderbaren Sahnigkeit – hier scheint die Yogurette ins dreckige Hafenwasser gefallen zu sein.
Wasser? Nicht grundsätzlich abzulehnen. Mit der richtigen Mischung ( vielleicht 2 Tröpfchen auf 2 cl) kommen die sahnigen Schoko- und Fruchtnoten besser ‘raus. Aber die Komplexität gewinnt dadurch nicht unbedingt.
Warnung! Nach diesem Malt schmeckt selbst manch erstklassiger Islay in Cask Strength wässrig! Die andere Liga, in der dieser Springbank Single Cask spielt, zeigt sich daran, dass danach kaum mehr was anderes geht.
Also: Wer’s ausprobieren möchte…
Springbank, 1997-2018, 21 Jahre Fresh Demerara Rum, Barrel No. 246, 162 Flaschen / 51,2%
Eindruck im Glas:
Der ungewohnt-gelb-olivegrüne Ton irritiert. Green Whisky?
Auch die “Beinchen” vermisst man zunächst – stattdessen sieht das Glas aus wie mit einem Glasschneider sauber abgeschnitten. Spät, sehr spät läuft etwas von dem extrem öligen Zeug dann doch hinunter. Ringsum bleiben dutzende Tröpfchen komplett hängen – FASZINIEREND!
Aroma:
Am Anfang frisch und saftig-süß mit deutlichen Rumnoten. Dann geht die Zauberei los:
Immer wieder anders! Bei jedem neuen Schnupper-Ansatz hat man andere Noten. Wenn irgendein Whisky Zeit zum Atmen braucht, dann dieser – nicht weil er am Anfang keine schöne Verheißung wäre, sondern weil man immer wieder ungläubig staunt, wie der sich im Laufe von wenigen Minuten komplett verändert: Mal karibischer Rum, dann Zuckerrohrschilf in der Meeresbrise, dann auf einmal Vanille, grüne Banane, Mango, Orange, Marmelade, schließlich ein Fruchtkompott mit viel Vanille gewürzt. Extrem komplex.
Nach langer Zeit (vielleicht 45 min…die nie langweilig werden), kommt auch noch deutlich eine Lakritznote durch – man würde nicht glauben, dass es sich um den gleichen Whisky wie zu Beginn handelt.
Geschmack:
Vorne auf der Zungenspitze dominiert die Süße und karibische Frische wie bei der ersten Nase. Die 51,2% haben nichts Scharfes. Sehr geschmeidig. Fast ist man enttäuscht, weil der Gaumen die Komplexität der Nase nicht halten kann, was aber kaum verwunderlich ist. Die Fruchtnoten muss man erst suchen – dafür empfiehlt sich der kleine Schluck. Die Süße bleibt von vorne bis hinten, am Ende wird nichts trocken oder bitter, nur ganz leicht und dezent die typische Springbank-Salznote – die Juni-Abfüllung hat eben schon viel vom Wintersalz wieder abgeatmet. Dafür bleibt der Rum, die 21 Jahre im Fresh Demerara Barrel kann er zu keinem Zeitpunkt leugnen.
Wasser? Eher nicht! Das Aroma verliert – Oh Wunder! – beträchtlich. Der Geschmack wird zuckrig-süß mit Bitternote. Aber: Wer’s mag…
Springbank 1997-2011, 14 Jahre Fresh Demerara Rum, Barrel No. 245 / 46%
Das erste der Zwillingsfässer wurde 2011 14-jährig mit 46 % abgefüllt und ergab 233 Flaschen. Der Whisky überzeugte mit einer vollendeten Mischung aus filigraner karibischer Rum-Süße und einer dezenten Springbank-Salznote. Der offizielle Verkauf ist abgeschlossen.